Was ist neu?

Das Tiroler Mindestsicherungsgesetz

Der Tiroler Landtag hat am 17. Mai 2017 das Tiroler Mindestsicherungsgesetz geändert. Die Novellierung ist seit 1. Juli 2017 in Kraft.

Der Antrag

Anträge können ab 1. Juli 2017 nicht mehr beim AMS eingebracht werden, sondern nur mehr beim Sozialamt der zuständigen Bezirkshauptmannschaft, beim Sozialamt Innsbruck oder bei Ihrer Wohnsitzgemeinde. Musterantrag

Seit 1. Juli 2017 können auch mündige Minderjährige (ab 14 Jahren) einen Antrag auf Mindestsicherung stellen, wenn sie weder bei einem Erziehungsberechtigten leben noch die Kinder- und Jugendhilfe die Obsorge hat.

Mindestsätze ab 1. Jänner 2024

Die Mindestsätze beziehen sich auf den Lebensunterhalt, Stromkosten und Bekleidung! Die Sätze für den Lebensunterhalt wurden mit der Gesetzesänderung neu geregelt und die Ansprüche zum Teil reduziert. Weniger Unterstützung erhalten in Zukunft:

  • Personen, die in Wohngemeinschaften leben (Ausnahme betreute Einrichtungen ohne Vollversorgung)
  • Minderjährige im gemeinsamen Haushalt mit den Obsorgeberechtigten ab dem viertältesten Kind

Mindestsätze 2024

Begriffe im Tiroler Mindestsicherungsgesetz

Hoheitliche Leistungen

sind Unterstützungen auf die Sie einen Rechtsanspruch haben und die im Verwaltungsverfahren zu entscheiden sind. Das Sozialamt muss einen schriftlichen Bescheid ausstellen und Sie können im Falle, dass Sie zu wenig bekommen eine Beschwerde einlegen.

Privatrechtliche Leistungen

sind Unterstützungen, die Sie auf Antrag erhalten können. Das Sozialamt kann, muss aber keine Unterstützung gewähren. Sie bekommen nur eine Mitteilung gegen die sie kein Rechtsmittel auf dem Verwaltungsweg erheben können.

Alleinstehend

ist, wer weder in einer Bedarfsgemeinschaft noch einer Wohngemeinschaft lebt.

Alleinerziehend

ist, wer nur mit unterhaltsberechtigten Minderjährigen zusammen lebt.

Bedarfsgemeinschaft

Personen im gemeinsamen Haushalt, die gemeinsam wirtschaften, wobei eine wechselseitige Unterstützung in einem dem familiären Zusammenhalt vergleichbarem Ausmaß, angenommen werden kann.

Wohngemeinschaft

Personen, die in einer Wohnung zusammen leben, ohne, dass es eine wirtschaftliche Verbindung zwischen ihnen gibt. JedeR hat einen eigenen Wohnbereich. Bad, Küche, etc. werden gemeinsam benützt.

Betreute Einrichtungen

ohne Vollversorgung (Opferschutz-, Krisenbetreuungs- oder betreuten Wohnungsloseneinrichtungen, in Einrichtungen der Rehabilitation mit Bezug von REHA Leistungen).

Wohnen

Wohnkosten

Sie haben einen Rechtsanspruch auf Unterstützung für die Wohnkosten. Allerdings gelten neue Regelungen für die Höhe der Unterstützung. Für jeden Bezirk sind Höchstgrenzen festgelegt. Sollten Ihre tatsächlichen Wohnkosten die Höchstsätze dieser Verordnung übersteigen, müssen Sie die Differenz entweder selbst bezahlen oder Sie stellen bei der zuständigen Mindestsicherungsbehörde einen Antrag auf Übernahme der tatsächlichen Mietkosten nach TMSG § 14 (1) oder § 14 (2) unter Vorlage der Härtefallkommission. Achtung! Dabei handelt es sich lediglich um privatrechtliche Leistungen.

Dasselbe gilt für Neuanmietungen, allerdings ist unbedingt vorher eine Zustimmung des Sozialamtes einzuholen. Schildern Sie möglichst genau ihre besondere Notlage.

Anmietungskosten

Auch die Unterstützung für die Übernahme von Kosten für Anmietungen wurde neu geregelt. Auch hier gelten die Höchstgrenzen für Mieten. Liegt der Mietpreis innerhalb dieser Grenzen, haben Sie Anspruch auf die Übernahme der Kosten für Kaution und die  Vertragserrichtungsgebühr.

Sollte die Wohnung teurer sein, kann trotzdem mit dem Einverständnis des Sozialamtes die Wohnung angemietet werden, allerdings werden die Anmietungskosten nur anteilsmäßig übernommen: Siehe Beispiel.

Kein hoheitlicher Anspruch besteht mehr auf die Kosten für eine Vermittlungsprovision. Das Sozialamt kann allerdings privatrechtliche Leistungen gewähren. Schildern Sie möglichst genau ihre besondere Notlage.

Grundausstattung

Für die Grundausstattung einer Wohnung gibt es eine eigene Richtlinie mit Pauschalbeträgen für die erstmalige Ausstattung einer Wohnung. Bei einer Übersiedelung kann nur dann noch einmal Unterstützung gewährt werden, wenn die Einrichtungsgegenstände in der neuen Wohnung nicht weiterverwendet werden können.

Lieferung und Montage können zusätzlich gewährt werden, wenn sie diese selbst nicht durchführen können (keinen Führerschein, körperlich nicht imstande, u. ä.) oder dürfen (Elektroanschlüsse, Wasser u. ä.). Schildern Sie möglichst genau ihre besondere Notlage.

Freibeträge / Nichtanrechnung von Einkommen

Bei der Antragstellung müssen Sie alle Einkommen und ihr Vermögen bekanntgeben. Bestimmte Teile des Einkommens oder des Vermögens dürfen aber bei der Berechnung des Mindestsicherungsanspruches nicht berücksichtigt werden. Siehe genaue Aufstellung Sollte im Bescheid trotzdem einer dieser Beträge eingerechnet werden, machen Sie das Sozialamt darauf aufmerksam. Falls diese Intervention nicht erfolgreich sein sollte, wenden Sie sich umgehend an eine Beratungsstelle.

Ausnahmen

Haus-, Grund- oder Wohnungsbesitz sind ausgenommen von der Verwertung, sofern sie den eigenen Wohnbedarf decken.

Bei Wohnungen oder Eigenheimen müssen Sie nach sechs Monaten durchgehendem Mindestsicherungsbezug dem Amt eine grundbücherliche Sicherstellung anbieten. Bei der Berechnung dieser Sechsmonatsfrist sind auch frühere Bezugszeiten von mindestens zwei Monaten zu berücksichtigen, sofern sie nicht länger als zwei Jahre vor dem neuerlichen Bezugsbeginn liegen.

Kraftfahrzeuge, die mehr Wert sind als der Freibetrag für Erspartes, müssen Sie nach sechs Monaten durchgehendem Mindestsicherungsbezug verwerten. Außer Sie benötigen das Kraftfahrzeug aufgrund von Behinderung, berufsbedingt oder mangelnder Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel.

Gegenstände zur Berufsausübung oder Berufsausbildung notwendig sind, dürfen nicht verwertet werden.

Kürzungen, Sanktionen, AMS-Sperren

Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes kann Ihnen stufenweise bis zu 66% des Lebensunterhaltes gekürzt werden wenn:

  • die Notlage vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde
  • keine Bereitschaft zum Einsatz der Arbeitskraft gezeigt oder eine zumutbare Beschäftigung nicht angetreten wird
  • Ansprüche gegenüber Dritten (z. B. Unterhalt) nicht in zumutbarer Weise verfolgt werden
  • mit den zur Verfügung gestellten Mitteln nicht sparsam umgegangen wird
  • vom AMS oder der Behörde vorgeschriebene Kurse nicht absolviert oder nicht erfolgreich abgeschlossen werden
  • Integrationsmaßnahmen nicht fristgerecht oder erfolgreich abgeschlossen werden

Achtung! Wer seinen Anspruch auf Notstandshilfe oder Arbeitslosengeld ganz oder teilweise verliert, erhält für die Dauer der AMS-Sperre über die Mindestsicherung keinen Ersatz.

Dies kann de facto die sofortige Kürzung um weit mehr als 66 % des Lebensunterhalts (auch Miete nicht gesichert!) bedeuten. Nehmen Sie deshalb unbedingt ihre AMS-Termine wahr und stellen Sie nach Jobverlusten unverzüglich einen Antrag am AMS. Wenden Sie sich unbedingt an eine Beratungsstelle, falls Sie von einer Kürzung betroffen sind!

Sonstige Leistungen  /  aussergewöhliche Notstände

Die Zusatzleistungen wurden neu geregelt. Dabei handelt es sich um privatrechtliche Leistungen, die in besonderen Härtefällen zusätzlich zur laufenden Mindestsicherung gewährt werden können:

  • monatlich bis zu € 173,38
  • einmalig pro Jahr bis zu € 2080,51
  • für notwendige Ausgaben zur Arbeitsaufnahme

Bei Mietrückständen, Reparatur- bzw. Nachbeschaffung von Einrichtungsgegenständen, Betriebs- und Heizkostenabrechnungen, Stromnachzahlungen, Kosten für Selbstbehalte bei Medikamenten und Heilbehandlungen, Kosten für Wartungen der Heizungsanlage können auch ohne einen laufenden Mindestsicherungsbezug beantragt werden. Dafür wurde eine eigene Richtlinie geschaffen. Für alle diese Anträge gilt, dass Sie Ihre Notlage besonders gut schildern begründen und beweisen müssen. Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle wenn ihr Antrag nicht entsprechend behandelt wird.

Urlaubsregelung / Ruhen von Leistungen

Alle Auslandsaufenthalte, die länger als eine Woche dauern, sind der Behörde vor ab mitzuteilen. Wenn der Aufenthalt innerhalb eines Jahres insgesamt 14 Tage übersteigt, „ruhen“ die Grundleistungen – Sie erhalten für diesen Zeitraum kein Geld! Aus besonders zu berücksichtigenden Gründen kann der Zeitraum auf 6 Wochen ausgedehnt werden, wie z. B. aus familiären oder gesundheitlichen Gründen oder auch für die Arbeitssuche. Bei einem Auslandsaufenthalt über 6 Wochen entfallen Grundleistungen.

Achtung

Dies kann auch für die Miete gelten, wenngleich ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol entschieden hat, dass die Miete unter Umständen auch über zwei Wochen hinaus übernommen wird (LVwG - 2021/41/0376-9)! Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle wenn ihr Antrag nicht entsprechend behandelt wird.

Maßnahmen zur "Integration"

Binnen einer bestimmten Frist haben Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte einen "Wertekurs" und Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 nachzuweisen. Dies kann von der Behörde vorgeschrieben werden. Wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, darf keine Vorschreibung mehr erfolgen. Wenn aufgrund von Alter, der psychischen,  der physischen Gesundheit oder aufgrund des Bildungsstandes die Erfüllung einer dieser Bedingungen nicht zumutbar ist, darf dies ebenfalls nicht verlangt werden. Bei rechtmäßiger Zuweisung zu einem solchen Kurs und Nicht-Erfüllung droht eine Kürzung des Lebensunterhaltes bis zu 66 %!

Im Falle einer Kürzung wenden Sie sich an eine Beratungsstelle.